Abstoßend und roh. Der Tag an dem Rugby nach Österreich kam.

Vor über hundert Jahren lockt das erste Rugbyspiel Tausende Wiener an. So groß die erste Begeisterung für den englischen Teamsport anfangs auch ist, so mühsam stellt sich seine Eingliederung in die österreichische Sportlandschaft bis heute dar. 

Am 14. April 1912 sinkt die Titanic. Auf der Hohe Warte in Wien gibt es ein anderes Großereignis. Mehr als 6000 sportbegeisterte Wienerinnen und Wiener finden sich zu einem Spektakel ein. Zwei englische Rugby-Mannschaften treffen in Wien, am Ende einer österreichisch-ungarischen Promotion-Tour, aufeinander. Ziel ist es, ihren Sport auch in der k. u. k. Monarchie bekannt zu machen. Die Athleten des Rosslyn Park Football Club und einer Auswahl der Studentenmannschaften von Oxford und Cambridge beeindrucken vor allem durch ihr ambitioniertes Spiel und der großen Disziplin mit der sie das Spiel vollziehen. Manch ein Zuseher fühlt sich bei der exakten Durchführung des Gedränges – einer Standartsituation im Rugby – an einen preußischen Exerzierplatz erinnert. Aber nicht jeder kann sich für den Sport begeistern, so empfindet ein Journalist des Grazer Volksblatts, der Zeuge des Matches ist, das Spiel als abstoßend und roh, den Spielverlauf als wenig interessant, und den sportlichen Wert nahezu gleich Null. Geschuldet ist dieses harsche Urteil vielleicht auch dem Platz, den sich der Reporter im Publikum gesucht hat, denn er beklagt auch den Umstand, dass die Wiener „Pülcher“ bereits in der Halbzeit mit etwas ungeschickten Nachahmungsversuchen beginnen. Das tun sie, indem sie „mit wahrer Wonne“ sich gegenseitig mit den Köpfen auf die Köpfe schlagen.

Der große Teil der Zuseher zollt dennoch den Spielern Respekt. Zweifel herrscht aber daran, ob die sportliche Erziehung der großen Menge schon so weit ist, solche Experimente zu wagen.

Tatsächlich dauerte es noch mehr als 10 Jahre bis sich die ersten Rugby-Vereine in unseren Breiten konstituierten.

Amateure gegen Heidelberg. Der getackelte Spieler muss den Ball loslassen
Amateure gegen Heidelberg. Der getackelte Spieler muss den Ball loslassen

1923 wird der Heidelberger Fußballprofi Theodor „Teddy“ Lohrmann vom Wiener Amateursportverein, der späteren Austria Wien, als Tormann angeworben. Lohrmann besitzt nicht nur außergewöhnliche Fangeigenschaften, er ist ein sportliches Allroundtalent. Er beherrscht Wasserball, Tennis, Handball und auch Rugby. Ihm ist es zu verdanken, dass es am 21. Oktober soweit ist. Auf der einen Seite des Spielfelds stehen 15 Wiener Amateure, auf der anderen Seite 15 Heidelberger Studenten. Das Wiener Publikum ist ekstatisch. Nur mit der, dem Rugby eigenen, Begrifflichkeit tun sie sich etwas schwer. So wird das „Scrum“ (Gedränge) kurzerhand in „Machloikes“ (jiddisches Wort für Ärger) umbenannt. Das Spiel endet mit dem Stand von 29:17 für die Heidelberger. Die Begeisterung für den Sport ist aber groß. Es kommt auch zu der Gründung weiterer Vereine. Im Jahr darauf haben die Amateure schon eine Equipe von gut zwei Dutzend Spielern.

In den folgenden Jahren wird zwar weiter Rugby gespielt, doch so richtig kann es bei uns nicht Fuß fassen. Vor allem stellen Insider fest: „Rugby darf nur von wirklich vollendeten einwandfreien Sportleuten gespielt werden, denn sonst gibt die ganze Geschichte einen schönen Salat.“

In den Dreißigerjahren verebbt der Rugbysport wieder und erst auf Initiative einer Handvoll von Exil-Briten kommt es am 19. Jänner 1978 zu einer neuen Vereinsgründung. Der Vienna Celtic Rugby Football Club. Neun Jahre später folgt der Rugby Club Wien als zweiter Verein. Gegründet von Spielern der Celtics, die einen eigenen, vielleicht österreichischen Weg beschreiten wollen.

1989 entsteht aus den Reihen des Rugby Club Wien, der Rugby Club Donau. Gemeinsam mit der Mannschaft des Lyçée Français in Wien gelingt es 1992, eine österreichische Rugby-Meisterschaft zu starten. Heute gibt es 15 Vereine in ganz Österreich, die im österreichischen Rugby-Verband organisiert sind.

http://www.rugby-austria.at/