Fürchtet euch nicht! Oder doch?

Niemand hat gerne Angst. Sie ist dennoch ein ständiger Begleiter. Auch für Spitzensportler ist Angst kein unbekanntes Thema. Richtig genutzt, kann sie sogar zu Höchstleistungen motivieren.

Wenn von Angst gesprochen wird, schwingt meist ein negativer Unterton mit. Man wird keinen Spitzenmanager finden, der Angst als das stärkste Motiv seines Handelns bezeichnet. Wer Angst hat, gilt als schwach, oder krank. Wer stark ist, hat keine Angst. Entwicklungsgeschichtlich ist Angst vermutlich aber eines der größten Erfolgsgeheimnisse der Menschheit. Sie schärft die Sinne und aktiviert den Körper um auf eine Gefahrensituation rasch reagieren zu können. Fight-or-Flight – Kampf oder Flucht – darüber galt es in Urzeiten zu entscheiden.

Jürgen Margraf, von der Ruhr-Universität Bochum, ist einer der führenden deutschen Angstforscher. Er sagt, „Angst ist eine der grundlegenden Emotionen des Menschen. Wenn man sich seine Persönlichkeit als Haus vorstellt, dann ist die Angst Teil des Fundaments.“ Angst zu vermeiden ist für ihn keine Lösung. „Man muss sich der Angst stellen, man muss sie wie einen Stier bei den Hörnern packen.“

Martin Kopp, vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck, sieht die Angst als zentrale Komponente im Sport. „Ein wenig Angst könnte förderlich sein. Bis zu einem gewissen Bereich wird man durch sie positiv aktiviert, dann kann es kippen und es gibt einen Leistungseinbruch.“ Kopp sieht die Angst mit gemischten Gefühlen. Er bestätigt, dass sie zur Aktivierung durchaus nützlich sein kann, sieht aber die Gefahr einer Überaktivierung, die einen gegenteiligen Effekt hat.

„Die Angst ist mein täglicher Begleiter, der mich antreibt, bremst, schützt und leitet.“

Alexander Huber

Etwas anders sieht das der Extremsportler Alexander Huber: „Die Angst ist mein täglicher Begleiter, der mich antreibt, bremst, schützt und leitet.“ Huber, der zu den erfolgreichsten Allroundbergsteigern der Welt gehört, wurde vor allem durch seine Free Solo Klettertouren bekannt. Free Solo bedeutet im Alleingang, unter Verzicht auf technische Hilfs- und Sicherungsmittel, eine extreme Kletterroute zu bewältigen. „Die Angst sagt mir, wo es langgeht, zeigt mir den gesunden, richtigen Weg“, sagt der Extrembergsteiger. Er ist nicht frei von Angst, hat es aber gelernt sie für sich zu nutzen. „Wegen der Angst gehe ich mit der maximalen Konzentration vor“, sagt er und bezeichnet die Angst sogar als seinen besten Freund in den Bergen.

Martin Kopp sieht zwar einen Unterschied beim Umgang mit der Angst zwischen dem Risikosport und dem Leistungssport. Ziel ist es aber bei beiden, die Angst zu kontrollieren und die Sportler in eine Zone des optimalen Funktionierens zu bringen. Ein gesundes Maß an Angst hilft dem Spitzensportler sich rechtzeitig im Wettkampf zu aktivieren und die beste Leistung abzurufen und dem Risikosportler im Extremfall zu überleben. Für Spitzensportler ist es heute auch selbstverständlich ihre Angst, mit professioneller Hilfe, zu ihrem Vorteil zu nutzen. Mentales Training und Entspannungsübungen helfen dabei.