Wintersport im Wandel: Das Ende der fetten Jahre? Der Wintersport hat nur dann eine Zukunft, wenn er sich neu erfindet.

Von Oliver Cyrus

„Business as usual“ kann tödlich sein. Das ist die Kernaussage von Jack Trout’s Buch „Differentiate or Die“. Der amerikanische Marketing-Guru hatte früh erkannt, dass wirtschaftliches Überleben eine Frage ständiger Veränderungsbereitschaft ist.
Es geht also nicht nur um Innovationen an sich, sondern auch darum, auf geänderte Rahmenbedingungen entsprechend zu reagieren. Nichts anderes steht dem österreichischen Wintersport bevor, will dieser trotz Klimawandel florieren.

Kostenfaktor Klima

Dass der Klimawandel den heimischen Wintersport massiv beeinflusst, ist seit dem letzten Positionspapier des Forums „Klima.Schee.Sport“ ein offenes Geheimnis. Experten von 14 Klima- und Sportforschungseinrichtungen aus der DACH-Region sehen es als gesichert an, dass die Jahresmitteltemperatur im Alpenraum bis zum Ende des Jahrhunderts um mindestens weitere zwei Grad Celsius steigt. Diese Temperaturzunahme betrifft alle Jahreszeiten. Vor allem die Dauer der Schneebedeckung verkürzt sich im Früh- und Spätwinter, wobei die touristischen Kernmonate Jänner und Februar weniger betroffen sind. Es gibt also keinen Grund zur Panik. Der Betrieb der heimischen Skibetriebe ist bis 2050 in 1800 beziehungsweise 2000 Metern Höhe gesichert. Zu diesem Schluss kommt zumindest eine aktuelle Studie im Auftrag des Landes Salzburg in Kooperation mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Doch einen bitteren Kern enthält sie dennoch: In Lagen unter 1300 Meter nimmt der technische Aufwand dramatisch zu, und die Saisonlänge verkürzt sich trotz Kunstschnee markant: in 900 bis 1000 Metern Seehöhe um ganze 15 Prozent.

Der Betrieb der heimischen Skibetriebe ist bis 2050 in 1800 beziehungsweise 2000 Metern Höhe gesichert

Was dieser Rückgang für Österreichs Tourismus bedeutet, hat das Projekt COIN festgehalten. Eine 42-köpfige internationale Forschergruppe lieferte knallharte Fakten, wie teuer der Klimawandel dem österreichischen Wintersport kommt. Die Ergebnisse hat ein internationales „Scientific Advisory Board“ unter der Leitung von Paul Watkiss (Universität Oxford) geprüft, die Studie unterzog sich auch zwei Review-Prozessen durch 38 internationale Gutachter. In allen drei errechneten Klimaszenarien (geringer bis starker Klimawandel) übersteigen die klimabedingten monetären Verluste der Wintersaison die Gewinne aus dem Sommertourismus. Konkret bedeutet dies, dass selbst ein moderater Klimawandel den Tourismus jährlich rund 90 Millionen Euro kostet (Zeitraum 2016–2045) bzw. jährlich 300 Millionen Euro im Zeitraum 2036–2065. Volkswirtschaftlich bewirkt dies eine Verringerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um rund 100 Millionen Euro jährlich (2016–2045) bzw. 340 Millionen Euro jährlich im Zeitraum 2036–2065. Wohlgemerkt ist hier nur vom Tourismus die Rede. Laut einer Studie des staatlichen Klima- und Energiefonds kann Österreich bis 2050 mit Klimaschäden bis zu 8,8 Milliarden Euro jährlich rechnen – konservativ geschätzt. Die einzig richtige Antwort für den Wintersport lieferte die ZAMG: „Zur Sicherung und Weiterentwicklung des Wintersports werden technologische, organisatorische Innovationen und eine Diversifikation der Angebote nötig sein.“

Swimmingpool mit winterlicher Bergkulisse
Die Vergreisung unserer Gesellschaft fordert auch beim Wintersport neue Konzepte. (Bild: Tauern Spa Zell am See-Kaprun)

Vorsprung durch Innovation

Österreichs Skiindustrie hat in puncto Innovation eine Steilvorlage geliefert. Die vier größten Hersteller (Atomic, Blizzard, Fischer und Head) beherrschen 60 Prozent des Weltmarkts für Alpinski. Doch trotz Verlockungen aus Asien (China will 300 Millionen Bürger für das Skifahren begeistern) liegt die Zukunft nicht im Massentourismus. Vorreiter ist wie so oft die Schweiz. Während in Österreich bis zu 70 Prozent der Pistenflächen künstlich beschneit sind, sind es in der Schweiz nur 50 Prozent. Zwar hat die Schweiz mehr höher gelegene Skigebiete, was den Bedarf am umstrittenen Kunstschnee verringert, jedoch es gibt noch einen weiteren Grund. Viele Skitouristiker erwarten sich mehr als nur die Sicherstellung von ausreichend Schnee. Laut dem bayerischen Landschaftsökologen Alfred Ringler unterhält Österreich 17 Mega-Skigebiete. In der Schweiz sind es nur acht – Qualität statt Masse ohne Raubbau an den eigenen nationalen Ressourcen. Kein Wunder, dass auch die Zahl der neu angeschafften Schneekanonen laut Andreas Keller, Mediensprecher der Seilbahnen Schweiz, längst rückläufig ist. „Auf absehbare Zeit wird die Zunahme pro Jahr vielleicht noch zwischen 1 und 2 Prozent betragen“, so Keller im Schweizer Nachrichtenportal Watson. Die enormen Anschaffungskosten (Österreich investierte 2019 ca. 114 Millionen Euro in neue Beschneiungsanlagen) rentieren sich nicht immer. Große Skigebiete bleiben vom Kunstschnee abhängig, die kleineren Betreiber können dagegen ihre Einnahmequellen besser diversifizieren. Bei entsprechenden Temperaturen ist eine Umstellung auf den Sommerbetrieb jederzeit möglich. Erfreulicherweise hat die Umwelttechnologie im heimischen Wintertourismus längst einen festen Platz. Doch es fehlen umfassende Konzepte. Eine Vision bot unlängst das Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW): von smarten Cities zu smarten Alpen. Auch alpine Siedlungsräume sollten „smart“, das heißt ökologisch nachhaltig und effizient, werden. Der Wintersport ist ein wichtiger Teil davon.

Die Demografie-Falle

Die größte demografische Herausforderung für den Weiterbestand des Wintersports liegt in der Vergreisung der Gesellschaft. Anfang 2019 waren 18,8 Prozent der österreichischen Bevölkerung über 65 Jahre alt, wobei laut Eco Plus bis 2030 dieser Anteil auf 23,4 Prozent wachsen wird. Dieser Trend ist in der gesamten DACH-Region zu beobachten. Eine Marktstudie der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) stellte bereits 2016 fest, dass die mit zunehmendem Alter sinkende Skipartizipationsrate nicht durch die Eintrittsraten der jüngeren Generationen wettgemacht werden kann. Dazu kommen noch weitere Faktoren ins Spiel: die Kostenexplosion im Bereich des traditionellen Skiurlaubs und die hohe Mobilität im 21. Jahrhundert. Nicht wenige verbringen ihren „Winterurlaub“ im warmen Süden. Um die ältere, meist zahlungskräftige Generation zu halten, gibt es den Trend, den alpinen Wintersport zunehmend in eine Wellnessoase zu verwandeln. Die jüngere Generation kann sich jedoch immer weniger den klassischen Skiurlaub leisten, trotz gewisser Preisnachlässe und Initiativen. Ein ökologisch nachhaltiger wie auch qualitativ hochwertiger Massenwintersport ist jedoch eine Illusion. Den hat es nie gegeben. Der nötige öffentliche Umdenkprozess ist bisher ausgeblieben – für eine Skifahrernation ein durchaus heikles Thema. Obwohl der Wintersport aller Voraussicht nach zukünftig kein Volkssport mehr sein wird, ist dessen Bestand jedoch keineswegs gefährdet. Vieles hängt davon ab, ob ausreichend in innovative Geschäftskonzepte und Umwelttechnologien investiert wird. Hier kann Österreich ein globaler Trendsetter werden.