Vergiss alles, was du über Sport weißt: Wenn der Druck da ist

Was wir nicht alles beachten, wenn es um Sport geht. Allen voran diejenigen, die Profis sind, oder sich in diese Richtung bewegen. Alles wird genauestens angesehen: Die Ernährung, Trainingsplanung, Regeneration und Pausen, Intensitäten, abwechslungsreiches Training, Technik, Taktik, Physis – aber all das scheint in weiter Ferne, wenn es Spitz auf Knopf steht.

Von Philipp Nägele

Zuerst einmal kann jeder Athlet sein wahres Ich erkennen, wenn er in eine solche Situation kommt. In Situationen, in denen es um Sieg oder Niederlage geht. Grundsätzlich könnte man dabei fragen: bist du dann jemand, der nach vorne geht, oder der sich versteckt? Bist du jemand, der riskiert, oder der auf Sicherheit spielt?

Drucksituationen lassen sich nur schwer trainieren. Dennoch ist es möglich, wenn es subjektiv für den Sportler um etwas geht. Ob man dabei um eine Lokalrunde spielt, oder beim Ehrgefühl gepackt wird. Doch reale Spiel- und Wettkampfsituationen sind nicht so einfach zu kopieren.

Aber Achtung: Nicht jedes Mal reagieren wir in derselben Situation gleich! Manches Mal gehen wir nach vorne, und manchmal spielen wir auf Sicherheit. Warum? Es ist dem Wettkampfverlauf geschuldet, genauso wie dem eigenen Selbstvertrauen, der inneren Sicherheit. Und da sind sie wieder: die feinfühligen Fähigkeiten, die sogenannte mentale Stärke.

Das Problem ist folgendes: Wenn wir nicht vorab diese Sicherheit in uns haben, das nötige Selbstvertrauen, den Mut, das Wissen um unsere Fähigkeiten, dann können wir Drucksituationen schlecht meistern. Folglich ist klar, dass wir diese Fähigkeiten trainiert haben müssen. Der Athlet muss sich seiner Fähigkeiten, seiner Erfolgen, seiner Stärken und seinem Können bewusst sein. Über die Wettkampfdauer hinweg muss er ein Gefühl für seine Strategie haben, und aufgrund des Verlaufes auch (mit-)entscheiden, was er in der alles entscheidenden Situation tut.

Aus diesem Grund schaue ich als Coach auch immer darauf, dass ein Sportler seine Highlights präsent im Kopf hat. Es hilft, wenn diese zusätzlich zu Papier gebracht werden. Im Laufe einer Karriere erlebt ein Sportler viel große und kleine Highlights. Oftmals ist er sich aber nicht bewusst, was er schon alles geschafft hat. Was das für eine Kraft mit sich bringt. Und welche Energie und Sicherheit genau in diesem Wissen, in diesem „bewusst sein“ steckt.

Es ist gleichzeitig auch nicht weg zu diskutieren, dass reale Erlebnisse – reale Drucksituationen – gemacht werden müssen, um mit dieser Erfahrung nicht nur umzugehen, sondern wichtiger, mit dieser Erfahrung auch zu arbeiten. Und ja, auch der Erfolg muss analysiert werden. Er muss ausgekostet werden und reflektiert werden, was der Athlet dafür getan hat, um zu diesem Erfolg zu gelangen. Wie hat er es umgesetzt? Und nicht nur die Misserfolge im Detail zerpflücken und darüber nachdenken, wie das Spiel verbessert werden kann. Im Erfolg liegt mindestens genauso viel Potenzial wie im Misserfolg.

Philipp Nägele ist Mental Coach und Personal Trainer. Weiter Informationen gibt es auf der Homepage der Kaizen-Mindstyle-Academy.