Voltigieren – mehr als nur ein Pferdesport

Voltigieren ist ein anspruchsvoller Leistungssport, bei dem die Athleten auf einem galoppierenden Pferd Bewegungs- und Übungselemente, die aus dem Turnen, der Gymnastik und der Sportakrobatik stammen, präsentieren. Unberechtigterweise wissen die Wenigsten, dass Österreich im Voltigiersport zu den Topnationen zählt. (Titelbild: © Copyright Andreas Kauer)

Das Turnen auf dem Pferd erfordert von den Sportlern Körperbeherrschung, Beweglichkeit, Gleichgewicht, Kraft, Kondition, Mut, Vertrauen, Rhythmusgefühl und Kreativität. Bevor ein Pferd bei Wettbewerben an den Start gehen darf, muss es dementsprechend ausgebildet werden. Es bildet mit dem Voltigierer und dem Longenführer, der das Pferd auf einer kreisförmigen Bahn (Zirkel) von mindestens 18 Metern Durchmesser longiert, eine Einheit.

Sozialverhalten wird gestärkt

Voltigieren ist der ideale Einstieg für Kinder in den Pferdesport. Sie können sich auf einer attraktiven Art und Weise an den Umgang mit dem Pferd gewöhnen. Die Sportart wirkt sich auch positiv auf die erzieherischen Werte aus. Sie schult das Sozialverhalten in der Gruppe und die Kinder lernen Verantwortung zu übernehmen. Daher gewinnt Voltigieren auch im Schulsport und in der Heilpädagogik immer mehr an Beliebtheit.

Disziplinen

Im Einzel-Bewerb müssen die Teilnehmer zunächst in der Pflicht vorgegebene Übungen präsentieren. Kreativität ist dann im zweiten Abschnitt – der Kür – gefragt. Innerhalb einer Minute kann jeder mit seinem individuell gestalteten Programm sein Können zeigen. Währenddessen läuft im Hintergrund eine selbst ausgewählte Musik, an die die Kür idealerweise angepasst wird. Bei internationalen Meisterschaften und Cup-Turnieren steht im Spitzenbewerb auch ein Technik-Durchgang auf dem Programm. Die Voltigierer müssen dabei in ihrer Vorführung fünf vorgegebene Elemente einbauen.  

Der Pas de Deux-Bewerb besteht aus zwei Küren, in denen zwei Voltigierer zusammen auf dem Pferd ihr selbst einstudiertes Programm präsentieren. Männer und Frauen können dabei auch gemeinsam antreten.

Eine Mannschaft geht mit sechs Voltigierern im Gruppen-Bewerb an den Start. Die Disziplin ist in eine sechs Minuten lange Pflicht und einer vier Minuten langen Kür aufgeteilt. Maximal drei Voltigierer dürfen gleichzeitig auf dem Pferd turnen und jeder Starter einer Gruppe muss zumindest einmal auf dem Pferd sein.

Drei Menschen auf dem rücken eiones Pferdes
Im Gruppen-Bewerb turnen bis zu drei Voltigierer gleichzeitig auf dem Pferd. © Copyright Andreas Kauer

Eine Besonderheit bei diversen internationalen Turnieren ist der sogenannte Nations-Cup, bei dem der Einzel- und Gruppenbewerb zusammengeführt werden. Pro Mannschaft treten zwei Einzelstarter und eine Gruppe an.

Beurteilt werden die Wettbewerbe von speziell geschulten Wertungsrichtern, die um den Wettkampfzirkel verteilt sitzen. Nicht nur die Voltigierer werden benotet, sondern auch die Pferde. Die Richter achten unter anderem auf die Qualität des Galopps und das Verhalten während der Pflicht/Kür. Durch ein Punktesystem wird sichergestellt, dass die Pferde nicht zu viele Bewerbe an einem Tag bzw. in einem Turnier bestreiten müssen.

Sicherheit steht an oberster Stelle

Das Pferd trägt am Rücken einen Voltigiergurt, der mit zwei Handgriffen und zwei Fußschlaufen ausgestattet ist. Darunter wird zum Schutz des Tieres eine Voltigierdecke und eine Schaumstoffunterlage befestigt. Damit die Voltigierer nirgendwo hängenbleiben können, tragen sie elastische und enganliegende Anzüge/Trikots. Lange Haare werden zur Sicherheit zusammengebunden.

Pferd wird im Training geschont

Ein sehr nützliches Trainingsgerät im Voltigiersport ist die Tonne, die ebenfalls mit einem Gurt versehen ist. Darauf können die Sportler an ihrer Technik feilen und ihre Pflicht/Kür perfektionieren, ohne dabei das Pferd zu belasten. Eine modernere aber auch teurere Variante der Tonne ist das sogenannte Holzpferd „Movie“, das auch den Galoppsprung simulieren kann.

Geschichte

Voltigieren war bislang einmal bei Olympia vertreten und das bereits 1920 in Antwerpen, damals aber noch unter dem Namen Kunstreiten. Als offizielle Sportart wurde Voltigieren am 15. Dezember 1981 anerkannt. Nachdem 1983 das erste offizielle Regelwerk der internationalen Dachorganisation des Pferdesports (FEI) veröffentlicht wurde, fand ein Jahr später in Ebreichsdorf bei Wien, das heute noch ein beliebter Austragungsort für Voltigierturniere ist, die erste Europameisterschaft statt. Zwei Jahre später folgte die erste Weltmeisterschaft in Bulle (Schweiz).

Europäer dominieren

Zu den Topnationen im Voltigiersport zählen fast ausschließlich europäische Länder, wie Deutschland, Schweiz, Österreich, Frankreich und Italien. Außerhalb von Europa können lediglich die USA mit den Europäern mithalten. Trotz der Ähnlichkeit zum Kunstturnen, wird Voltigieren nicht als Turn-, sondern als Pferdesportart bezeichnet. In Österreich wird das Voltigieren durch den Österreichischen Pferdesportverband (OEPS) vertreten.

Österreichischer Medaillenregen bei der EM 2019

Zuletzt machten besonders die österreichischen Damen im Voltigiersport auf sich aufmerksam und schnitten bei Welt- und Europameisterschaften höchst erfolgreich ab. Die meisten Medaillen bei einem Championat gab es bei der Europameisterschaft 2019 in Ermelo. Im Einzelbewerb durfte sich Österreich über gleich zwei Medaillen freuen. Katharina Luschin (URC Wildegg) eroberte ihre erste Goldene bei einem Großereignis und Jasmin Lindner holte Bronze. Im Gruppenvoltigieren ging der 1. Platz an die Voltigiergruppe URC Wildegg und damit erstmals seit zehn Jahren wieder Gold an Österreich. Mit dem Gewinn der Silbermedaille feierten Katharina Luschin, Jasmin Lindner und der URC Wildegg ein erfolgreiches Debüt beim Nations-Cup, der erstmals bei einer Europameisterschaft ausgetragen wurde. Auch im Pas de Deux gab es Grund zur Freude – Eva Nagiller & Romana Hintner (VG Pill) erkämpften Bronze.

Eine Frau macht einen Handstand auf den Armen ihres Partners, der auf einem Pferd reitet
Jasmin Lindner & Lukas Wacha waren fünf Jahre lang eine Klasse für sich. © Copyright Andreas Kauer

Zu weiteren rot-weiß-roten Höhepunkten der letzten Jahre zählen auch der Weltmeister-Titel von Jasmin Linder bei der WM 2016 von Le Mans. Das Duo Jasmin Lindner und Lukas Wacha dominierte zwischen 2012 und 2016 den Pas de Deux-Bewerb nach Belieben. In dieser Zeit wurden sie dreimal Welt- und zweimal Europameister. Inzwischen hat Lukas Wacha seine Karriere beendet. Bei den österreichischen Herren blieben die großen Erfolge in der Vergangenheit aus. Mit Dominik Eder verfügt Österreich jedoch über ein hoffnungsvolles Talent, das bei der Europameisterschaft im Vorjahr den 8. Platz belegen konnte.

Von 28. 7. – 2. 8. 2020 ist die nächste Voltigier-Weltmeisterschaft in Flyinge (Schweden) geplant. Ob sie tatsächlich stattfinden wird, ist aufgrund des Coronavirus noch offen. Auch in Österreich stünden dieses Jahr einige hochkarätige Turniere auf dem Programm.