Pétanque – eine Kugel kann alles verändern

Pétanque ist die weltweit populärste Variante der aus Frankreich stammenden Kugelspiele, die unter dem Oberbegriff „Boule“ zusammengefasst werden. Mittlerweile hat sich die Präzisionssportart auch in Österreich etabliert – sowohl im Leistungs- als auch im Breitensport.

Bei Pétanque treten zwei Teams gegeneinander an und versuchen ihre Kugeln möglichst nahe an der kleinen Zielkugel, die zu Beginn des Spiels in eine Entfernung von sechs bis zehn Metern ausgeworfen wird, zu platzieren. Eine Partie ist in mehrere sogenannte Aufnahmen (Runden) aufgeteilt. Für jede Kugel, die näher am Ziel liegt als die nächste des Gegners, erhält ein Team einen Punkt – theoretisch können also pro Aufnahme sechs Zähler vergeben werden. Die Mannschaft, die zuerst 13 Punkte erreicht, gewinnt. Der Präzisionssport kann in drei verschiedenen Formaten gespielt werden: Tête-à-tête (zwei Einzelspieler mit jeweils drei Kugeln), Doublette (zwei Duos mit jeweils sechs Kugeln) und Triplette (zwei Trios mit jeweils sechs Kugeln). Das Wurfrecht wechselt zum Gegner, sobald eine eigene Kugel am nähesten zur Zielkugel liegt, oder alle Kugeln geworfen wurden. Die nächste Aufnahme erfolgt, nachdem alle Kugeln am Feld liegen – ausgehend vom finalen Standort der Zielkugel. Im Gegensatz zu anderen Boule-Sportarten wird bei Pétanque nicht von einer Abwurflinie, sondern von einem Abwurfkreis herausgespielt. Fälschlicherweise wird Pétanque oft als Boccia bezeichnet. Boccia gilt als die italienische Variante der Boule-Spiele, ist jedoch eine eigene Präzisionssportart mit unterschiedlichen Regeln. Es wird auf ebenen und nivellierten Bahnen gespielt und es kommen größere und schwerere Bälle aus Kunststoff oder Holz zum Einsatz.

Um herauszufinden, welche Kugeln sich näher zur Zielkugel befinden, wird oft ein Maßband verwendet. Copyright: Pixabay

Taktik und Geschicklichkeit stehen im Vordergrund

Pétanque ist ein Sport, der von Menschen jeden Alters und fast überall ausgeübt werden kann. Als Spielorte bieten sich beispielsweise Parks, Wiesen und Gärten an. Auch die Ausrüstung ist günstig und leicht zu erwerben. Gespielt wird mit 650 – 800 Gramm schweren Kugeln aus Inox- oder Carbonstahl mit einem Durchmesser zwischen 70,5 und 80 mm. Geschicklichkeit und Taktik spielen bei Pétanque eine große Rolle. Die Art und Weise, wie die Kugel ins Spiel gebracht wird, ist frei wählbar – sie kann zum Beispiel in hohem oder niedrigem Bogen geworfen oder gerollt werden. Auch das Wegschießen bereits liegender Kugeln oder der Zielkugel kann sich als effektive Taktik erweisen.

Die größten Erfolge der Österreicher

Wie der Name schon vermuten lässt, hat Pétanque seine Ursprünge in Frankreich, wo es Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals gespielt wurde. Dort ist das Kugelspiel Nationalsport und es gibt über 700.000 Lizenzspieler. Auch bei Weltmeisterschaften, die erstmals 1959 stattfanden, ist Frankreich das Maß aller Dinge und führt den ewigen Medaillenspiegel mit großem Vorsprung an. Die bislang einzige Medaille für Österreich bei einem Großereignis holten die Frauen 2016 bei der Europameisterschaft in der Slowakei mit Bronze. Jedoch konnten beim schwächer besetzten Nationencup, der mit der B-WM im Eishockey vergleichbar ist und im Rahmen einer EM bzw. WM ausgetragen wird, beachtliche Platzierungen eingefahren werden. So eroberten etwa Isabella Schimak 2016 Silber bei der EM in Halmstad im Einzel und die Herren 2013 Bronze bei der EM in Rom. 2015 sorgten Alberto Hinojosa und sein Coach Günter Vida bei der Einzel-WM in Nizza für den bislang größten Erfolg in der österreichischen Boulegeschichte. Nach einem Finalsieg über Deutschland konnte das Duo vom Verein HAPétanque-Wien den Nationencup für sich entscheiden. “Es war nicht nur für Alberto, sondern auch für mich als sein Coach ein einzigartiges Erlebnis”, zeigte sich VIda hocherfreut.

Wiener Vereine dominieren österreichweit

Der Österreichische Pétanque Verband wurde 1993 gegründet und versucht seitdem, den Bekanntheitsgrad der Sportart zu erhöhen. Zudem soll das Spiel als Begegnungsstätte von Menschen unterschiedlicher Kulturen dienen. Inzwischen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich mit den besten Pétanque Spielern Österreichs zu messen. Es finden jährlich österreichische Meisterschaften in sieben Disziplinen, eine Bundesliga, der Cup der Clubs, der Centrope Cup Austria und der Grand Prix de Vienne statt. Zudem gehen pro Jahr ca. 30 Ranglistenturniere über die Bühne, wodurch sich die Rangliste für Lizenzspieler ergibt. Die Bundesliga musste in diesem Jahr coronabedingt abgesagt werden. In den letzten Jahren wurde der Bewerb von Wiener Vereinen dominiert: 2017 holte pro Petanque Wien den Titel, 2018 und 2019 konnte sich der Pétanque Club Wiener Trilogie durchsetzen. Auch im Cup der Clubs war der Pétanque Club Wiener Trilogie zuletzt das Maß der Dinge – die letzten beiden Titel gingen jeweils an die Wiener. Auch beim Centrope Cup – einer Wettkampfserie, die in Polen, Tschechien, Slowenien, Ungarn, der Slowakei und Österreich ausgetragen wird – sind österreichische Spieler mit von der Partie.

In Österreich gibt es mittlerweile 16 Pétanque-Vereine, die meisten davon in Wien (vier) und Niederösterreich (drei). Zudem entstehen hierzulande immer mehr Boule-Bahnen, die von jedermann genutzt werden können. Erst im Oktober 2020 wurde die 12. Boule-Bahn Wiens im Währinger Park fertiggestellt.

Österreichischer Pétanque Verband  
Pétanque-Plätze in Österreich
Eine Tête-à-tête-Partie im Video