„Formel Eis“ – wenn es der Winter zulässt
Derzeit ist die EM und WM der Eissegler in Nordschweden am Orsasjön-See voll im Gange. Die Sportler gleiten mit ihren Eissegelbooten mit einem Tempo von bis zu 130 km/h über das Eis. Eissegeln gehört jedoch zu jenen Sportarten, die unter dem Klimawandel leiden.
Voraussetzungen
Ein Wettbewerb kann erst dann stattfinden, wenn bei einem komplett zugefrorenen See tragfähiges Eis mit höchstens ein paar Zentimetern Schneeauflage vorhanden ist. Zusätzlich muss die Windstärke zwischen ein und maximal fünf Beaufort liegen. Die Athleten absolvieren in Gruppen von bis zu 50 Seglern mehrmals einen ungefähr 2 km langen Rundkurs und umfahren dabei Wendemarken. Beim Start müssen die Piloten ähnlich wie beim Bobfahren ihr Boot anschieben und in der Folge aufspringen. Um von Anfang an genug Tempo mitzunehmen, ist ein guter Start enorm wichtig. Den Geschwindigkeitsrekord von 135 km/h hält bislang der Österreicher Roland Huber. In keiner anderen Windsportart am Boden ist eine derartige Beschleunigung und Geschwindigkeit erreichbar.
Geeignete Regionen
Österreich ist aufgrund seiner vielen Seen für diese Sportart prädestiniert – allerdings muss das Wetter mit den entsprechenden Minustemperaturen mitspielen. Zu den beliebtesten Eissegelorten zählen zum Beispiel der Neusiedler See (war auch schon Austragungsort einer WM), der Waller See und der Ossiacher See. Gute Bedingungen herrschen gewöhnlich auch in Deutschland, Russland, Kanada, Schweden, in den nördlichen USA, im baltischen Raum, in Ungarn und besonders auch in Polen. Der Klimawandel macht sich jedoch bemerkbar, weshalb viele Seen nicht mehr zufrieren. Daher legen viele Hobbysportler tausende Kilometer zurück, um zumindest einmal im Jahr den Sport ausüben zu können. Der Beginn und die Länge der Saison sind vom jeweiligen Winterwetter abhängig. Leider ist Eissegeln deshalb oft nur ein paar Wochen im Jahr möglich, gewöhnlich zwischen Ende November und Ende Februar. Weltmeisterschaften finden aufgrund des Wetters oder des Eismangels nur selten am geplanten Ort statt und müssen an eine geeignete Destination verlegt werden.
Boot und Ausstattung
Durchschnittlich muss man für ein Eissegelboot um die 2000 bis 3000 Euro in die Hand nehmen. Da die Boote jedoch nicht sehr komplex sind, bauen sich die meisten Sportler ihr Eissegelboot selbst. In Europa sind der „XV“ und insbesondere der in den 1930er-Jahren entwickelte „DN“-Schlitten verbreitet. Der „XV“ eignet sich für zwei Personen und bietet doppelt so viel Segelfläche wie der kleinere „DN“, in dem der Fahrer den Schlitten alleine im Liegen steuert. Ein DN-Schlitten besteht aus einem sehr flachen Rumpf, an dem drei Stahlkufen (hinten links und rechts und ganz vorne) und ein Segel befestigt sind. Dank seiner geringen Größe kann er sogar auf dem Autodach transportiert werden. Zum Lenken verwendet der Fahrer eine Pinne – einen Hebel, mit dem das Ruder bedient wird. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit ist das Fahren nur mit einem Eissegelschein erlaubt. Neben gefütterter Kleidung und einem Helm mit Skibrille, tragen die Fahrer Schuhe mit Spikes, die besonders beim Start Halt am rutschigen Eis bieten sollen.
140 Teilnehmer aus 17 Nationen sind diese Woche bei der WM/EM 2020 am Start. Österreich ist mit zwei Booten vertreten. Rekordhalter Roland Huber liegt derzeit in der Kategorie „DN Bronze“ auf dem 5. Zwischenrang.
Für Adrenalin-Junkies, die Nervenkitzel und Geschwindigkeit lieben, ist Eissegeln genau das Richtige. Sobald der Neusiedlersee eine fest tragende Eisstärke hat, können Interessierte einen Schnupperkurs absolvieren.